
„Der Aufstieg der Mittelmächte: Eine veränderte IR-Theorie“

Mittelmächte und die Herausforderung der subregionalen Integration: Ein Vortrag von Professor Yan Xuetong in Astana
Am 28. April hielt Professor Yan Xuetong, ein angesehener Politikwissenschaftler und führender Denker im Bereich der internationalen Beziehungen, einen aufschlussreichen Vortrag in Astana, Kasachstan. Inmitten eines weltpolitischen Wandels, in dem Großmächte ihre globalen Führungsrollen zurückziehen, betonte Yan die Notwendigkeit für mittlere Mächte, wie Kasachstan, sich stärker der subregionalen Integration zu widmen.
Die Rolle der mittleren Mächte
Der Professor, der als Gründer der Moralischen Realismus-Theorie bekannt ist, erklärte, dass das Fehlen eines dominanten Führers europäischen Ländern Raum gibt, um regionale Märkte und die Rahmenbedingungen für Zusammenarbeit zu gestalten. „Wenn es keinen führenden Anführer gibt, müssen regionale Kräfte auftreten, um die notwendigen Bedingungen zu schaffen“, so Yan.
Besonders hob er die Beziehungen zwischen China und Kasachstan hervor, die als die umfassendsten zwischen China und anderen zentralasiatischen Staaten betrachtet werden. „Die Zusammenarbeit zwischen China und Kasachstan ist vielseitiger und umfassender als die mit anderen zentralasiatischen Nationen“, bemerkte Yan.
Theoretische Lücken in den internationalen Beziehungen
In seinem Vortrag stellte Yan auch die Grenzen der gängigen Theorien in den Internationalen Beziehungen wie Konstruktivismus, Liberalismus und klassischen Realismus heraus. Er kritisierte den Konstruktivismus dafür, dass er die Welt als linear fortschreitend betrachtet. „Die Normen der Globalisierung können den historischen Trend nicht länger aufrechterhalten“, stellte Yan fest.
Der Liberalismus wiederum, laut Yan oft als Institutionalismus bezeichnet, hat seiner Meinung nach Schwierigkeiten, die Interessen von Staaten in der Praxis zu erklären. Er stellte fest, dass der klassische Realismus die Interessen der Staaten relativ konstant ansieht, während sich dennoch die politischen Entscheidungen ändern können.
Moralischer Realismus und nationale Interessen
Yan stellte seine Theorie des moralischen Realismus vor, die besagt, dass die Außenpolitik nicht nur durch Strukturen und Machtverhältnisse, sondern auch durch die moralischen Werte der Führungspersönlichkeiten gestaltet wird. Er machte einen wesentlichen Unterschied zwischen moralischen und unmoralischen Führern, wobei erstere persönliche Ziele und nationale Interessen in Einklang bringen, während erstere oft Regimeüberleben und persönlichen Gewinn priorisieren.
Die Ära der Gegen-Globalisierung
Abschließend wies Yan auf die gegenwärtige Weltlage hin, die von einer Gegen-Globalisierung geprägt ist, die eher von politischen Führungen als von strukturellen Kräften gelenkt wird. Er stellte fest, dass die Regierungen in den vergangenen Jahren internationaler Zusammenarbeit zurückgezogen sind, was durch Ereignisse wie den Brexit und die Handelskriege unter der Trump-Administration verdeutlicht wird.
Die Veranstaltung, organisiert vom Kasachistan Council on International Relations und dem Qalam Multimedia Project, ist Teil einer Vorlesungsreihe, die bereits bedeutende Gelehrte wie Barry Buzan und Parag Khanna beinhaltete. Yans Einblicke stellen einen wichtigen Beitrag zu den aktuellen Diskussionen über die Rolle der mittleren Mächte und die zukünftige Richtung der internationalen Beziehungen dar.